DROPS OF THE JUICE

Frucht, Körper, KäfigSchmuck und Geräte von Danni Chen

Dein Leib ist eine Hyazinthe,
In die ein Mönch die wächsernen

Finger taucht. (Georg Trakl)

Anfang

 

Es ist natürlich der unschuldige Sokrates, der in seiner Gefängniszelle auf den Tod wartet und erkennt: Der Körper ist ein Gefängnis. Seele ist nichts anderes ein Organ, das geschaffen wird, um den Körper zu denken. Danni Chen arbeitet entlang dieser Unterscheidung zwischen der Gefangenen und dem Gefängnis, um dort schmale, aber wunderbare Seelenwege zu erkunden. Ihre Forschungen führen weit vom Ziel ab, spielerisch und selbstverloren, denn ihr war kein solches vorgeschrieben.

 

Frucht

 

Die Früchte des Körpers werden rein aus dem Gedächtnis zurückgewonnen. Tastend suchen die Hände, was sie einmal lustvoll erlebt hatten, träumend bilden sie nach, das vergangene Glück. So entstehen aus Leben feste Denkmale, wie aus zarten Blüten feste Fruchtkörper sich bilden. Es ist die Oberfläche einer geliebten Welt, denn auch wenn die Liebe in die Tiefe zu zielen meinte – war sie denn jemals mehr als Oberflächenberührung? Also tastend suchen wir, auf dem imaginären Körper, und tastend werden wir findig.

Betrachten wir die Arbeiten aus der Serie “Lustgarten”, so entdecken wir eine Landschaft aus hybridem Frucht-fleisch. Die Farben, die Formen, die Bewegungen. Alles lebt, alles erinnert an ein geheimes, intimes Leben, das nur in der Tiefsee, oder tief im Gebüsch wächst, oder eben nirgends. Jedenfalls kommen sie aus der Tiefe, aus der Dunkelheit, jedenfalls von dort, wo die Augen nicht mehr sehen, sondern selbst das Licht hervorbringen, in Freude der fruchtbaren Entdeckung.

 

Folter

 

Das deutsche Wort Leidenschaft erinnert daran, dass Schmerz und Lust zusammengehören. Gerade in der Liebe und Liebkosung ist es fast unmöglich, beides voneinander getrennt zu denken. In dem Moment, in dem die Lust in das Gegenteil umschlägt, wird aus Zärtlichkeit Folter. Die Frucht als Körperbild erscheint zwar erneut in „Rasberry torture device“, der diesmal aber nicht freudig aufblüht, sondern mit großer Präzision gemartert wird. Obwohl der weiche Himbeerkörper gar nicht selbst vorhanden ist, wird dieser zur gefühlten Existenz gezwungen – die Foltergeräte erwarten ihre Opfer.

Das Bild der Wehrlosigkeit und der Grausamkeit, die sich doch lieben, wiederholt sich in „Fruchtfolterinstrument“. Es sind Tiefengänge in das Selbst, ein Ringen um den nachgezeichneten Alp. Verwundbares wird zerquetscht, Zärtlichkeit werden ausgemerzt, Erinnerungen durchbohrt. Welche Erkenntnis wird daraus gewonnen? Folter ist ja die älteste Methode der Wahrheitssuche. Die beiden Serien sind eine akribische Seelenstudie über die Logik der Verwundung. Die Konstruktion verursacht, dass die folternde Hand selbst auch verletzt wird, dass die sehende Seele sich selbst in Folter sieht: Täter als Opfer. In dieser Serie wird die Strafe allein durch Schwerkraft vollzogen, am deutlichsten in „Stein und Käfig“. Die Steine sind nur dramaturgisch von den Beeren getrennt, die sie zerdrücken. Das ist der Ort, an dem der Körper – durch Eigengewicht der Seele – sich selbst zur Folter wird.

 

Käfig

 

Käfig ist das nächste große Thema in Danni Chens Arbeiten. Dabei ist Käfig ein seltsames Ding, vielleicht eins der seltsamsten Körpergeräte. Der Käfig ist sinnlos ohne einen Körper, den er schützt, gefangen hält oder langsam verdorren lässt. Funktionell ist der Käfig eine Unterart von Schmuck, weil auch er von außen auf den Körper einwirkt und seine Schönheit modifiziert. Der von Käfig geschmückte/geschundene Körper ist ein qualitativ Anderer, wie Tätowierung im alten Ostasien ist die abgeleistete Einsperrung eine Körpermarke, ein umgekehrter Schmuck.

„Babybett“ ist zuerst eine Umstülpung dieser Käfigidee. Es ist ein angenehmer Käfig, gebaut aus Nahrung, duftend nach Reis und Geborgenheit – er hält gefangen durch Infantilisierung. Übergroß in Dimension, ist das Gerät doch beschwert von einem Dach aus Blei. Das Motiv der Schwere kehrt hier wieder als Gefahr wieder, Gefahr der Unentrinnbarkeit aus dem angenehmen Traum, Gefahr des Untergehens in Sicherheit.

Früchte und Menschen haben eines gemeinsam – beide sind in ihrer Haut gefangen. Die Haut begrenzt und markiert so überhaupt ein Individuum. In der Serie „Panzer“ werden verschiedene Frucht-Körper in käfigartige Rüstung eingeschlossen. Dieser Panzer, der den Früchten kaum Schutz oder Schmuck ist, lässt vor allem ihre Endlichkeit durchscheinen. Frucht, die vom Baum getrennt ist, ähnelt unseren eigenen Körpern, die durch die Geburt von der Lebensquelle getrennt sind. In dem Moment des Pflückens beginnt die unaufhaltbare Verwesung. Dieser Prozess des vegetativen Todes wird durch den Käfig markiert, oder überdeterminiert. Der Körper ist ein Gefängnis, und die Seele schaut tatenlos zu.

 

Zunge

 

Alle bisherigen Ideen – Frucht, Körper, Folter und Käfig – münden in die Arbeit „Zunge“. Die Zunge ist ein inneres Organ, das außen agiert, das zwischen Körper und Geist, zwischen fremden Seelen vermittelt. Sie ist Ort der Sprache, aber auch der sprachlosen Liebe. Sie ist beerenfarben. Im Käfig windet sie sich weiter, funktionslos und blind, denn sie kann gar nicht anders. Unfrei erst bemerkt sie, dass sie die vermeintliche Freiheit nie besaß.  Wie? Käfige befreien, nämlich von der Illusion der Freiheit. Dann spüren wir die Wände und Stäbe des großen Gefängnisses. Ist es Schmerz?  Das große Schweigen holt uns ein.

 

Text von Sool Park

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Artist

Danni Chen(*1987  in Jinan, China, arbeitet und lebt in München) studierte zunächst bei Prof. Daniel Kruger an der Burg Giebichenstein Universität für Kunst und Design Halle. Danach studierte sie bei Prof. Karen Ponttopidan an der Akademie der Bildenden Künste in München. Die Verbindung zwischen Menschen und persönliche Erfahrungen bilden den Kern ihrer Kunstwerke. Durch ihre Werke versucht sie, eine emotionale Resonanz bei den Menschen hervorzurufen oder ihnen eine körperliche Erfahrung zu vermitteln. Die Abstimmung von Ausdrucksinhalt und Methode ist für sie entscheidend, wodurch sie häufig verschiedene Materialien und Medien ausprobiert.